Frankfurter Rundschau vom 31.03.2025
Ein gerechtes, transparentes und verlässliches Gemeinnützigkeitsrecht stärkt die Zivilgesellschaft und ermöglicht Wandel unabhängig davon, welchen Weg die Regierung in den kommenden Jahren einschlagen wird. Die Kolumne „Gastwirtschaft“ in der Frankfurter Rundschau.
Wer ein Start-up gründet oder in Immobilien investiert, findet schnell eine Bank, die Kredite vergibt. Doch wer sich für soziale Gerechtigkeit, antirassistische Arbeit oder Umweltprojekte engagiert, stößt auf Widerstand. Banken stufen solche Initiativen oft als „zu politisch“ ein. Fehlt der Status der Gemeinnützigkeit, wird dies zur ersten großen Hürde.
Gemeinnützigkeitsrecht stärkt die Zivilgesellschaft – es lauern Gefahren
Gemeinnützigkeit kennzeichnet Organisationen, die ohne Gewinnabsicht dem Gemeinwohl dienen – etwa durch Bildungs-, Umwelt- oder Sozialprojekte. Dieser Status vereinfacht nicht nur Bankgeschäfte, sondern erlaubt auch Spendenbescheinigungen. Gemeinnützige Organisationen profitieren von Förderkrediten, vergünstigten Konditionen und Steuererleichterungen. Diese Vorteile schaffen ihnen die finanzielle Flexibilität, um ihre Mittel direkt in ihre Projekte und gesellschaftlich relevante Anliegen zu investieren.
Wegen unklarer Rechtslage vergeben Finanzämter den Status jedoch oft „unter Vorbehalt der Nachprüfung“ und können ihn rückwirkend für bis zu zehn Jahre entziehen. Für viele Organisationen bedeutet das massive Einschränkungen oder gar das finanzielle Aus. Beispiele für solche Konflikte lieferten die Petitionsplattform innn.it oder die globalisierungskritische Organisation Attac. Aber auch Lokalvereine geraten durch politische Stellungnahmen in Gefahr, ihre Gemeinnützigkeit und damit ihre Existenz zu verlieren.
Gemeinnützigkeitsrecht in den Wahlprogrammen
In den Wahlprogrammen 2025 wurde das Gemeinnützigkeitsrecht äußerst unterschiedlich behandelt, obwohl der letzte Koalitionsvertrag Reformen versprach. Genauere Einblicke liefert die Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung, der zahlreiche Stiftungen und Organisationen europaweit angehören. Für ein modernes Gemeinnützigkeitsrecht fordert sie eine Erweiterung der Liste gemeinnütziger Zwecke und die Klarstellung, dass politische Willensbildung die Gemeinnützigkeit nicht gefährdet.
Gemeinnützigkeit darf kein „Wackelkandidat“ für bürgerschaftliches Engagement sein. Sie bildet das Fundament für Organisationen, die sich dem Gemeinwohl und der Demokratie widmen. Ein gerechtes, transparentes und verlässliches Gemeinnützigkeitsrecht stärkt die Zivilgesellschaft und ermöglicht Wandel unabhängig davon, welchen Weg die Regierung in den kommenden Jahren einschlagen wird.
© Stephanie Handtmann/Attac